Sicherheit von Medizinprodukten
Der Zweck eines Medizinproduktes ist u. a. die Untersuchung, Behandlung oder Linderung von Krankheiten, Verletzungen oder Behinderungen; Medizinprodukte können auch dazu dienen, den anatomischen Aufbau zu ändern oder sie dienen der Empfängnisregelung. Gegenüber Arzneimitteln zeichnen sie sich durch ihr physikalisches Wirkprinzip ab. Die Bandbreite der Medizinprodukte ist dabei riesig, sie reicht vom einfachen Pflaster über Operationsinstrumente bis hin zu Computertomographen. In vitro-Diagnostika, die ebenfalls zu den Medizinprodukten zählen, werden eingesetzt, um die aus dem menschlichen Körper stammenden Proben (z.B. Blutproben) zu untersuchen und physiologische oder pathologische Zustände zu identifizieren bzw. therapeutische Maßnahmen zu überprüfen. Selbst eigenständige Software, wie sie in sogenannten „Medical Apps“ zum Einsatz kommt, ist zu den Medizinprodukten zu zählen.
Die rechtlichen Regelungen zu Medizinprodukten verfolgen das Ziel, europaweit für Patienten, Anwender und ggf. auch Dritte eine hohe Sicherheit zu gewährleisten; dazu müssen die Produkte insbesondere die vom Hersteller angegebenen Leistungen erreichen und den gesetzlichen Bestimmungen entsprechen. Diese Anforderungen an die Auslegung, Herstellung und das Inverkehrbringen sind europaweit einheitlich in der Verordnung über Medizinprodukte MDR und der Verordnung über In-vitro-Diagnostika - IVDR geregelt. Es besteht eine Abgrenzung beispielsweise zu Arzneimitteln, Wellnessprodukten oder Kosmetika.
Alle Produkte müssen so ausgelegt und hergestellt sein, dass weder der klinische Zustand noch die Gesundheit und Sicherheit des Patienten, der Anwender oder ggf. Dritter gefährdet wird. Unter Beachtung des allgemein anerkannten Standes der Technik sind Risiken zu beseitigen oder zu minimieren (Sicherheitskonzept), angemessene Schutzmaßnahmen zu ergreifen (z.B. Alarmvorrichtungen) und Benutzer über Restrisiken zu informieren. Die Produkte müssen den vorgegebenen Leistungen entsprechen und dürfen sich nicht derart ändern, dass die Sicherheit der Patienten oder anderer Personen während der Lebensdauer gefährdet werden kann.
Das Inverkehrbringen von Medizinprodukten sowie IVD erfolgt eigenverantwortlich durch den Hersteller; anders als bei Arzneimitteln erfordert es keine behördliche Zulassung. Medizinprodukte und IVD werden in verschiedene Risikoklassen eingeteilt, für bestimmte Risikoklassen ist die Beteiligung einer sogenannten Benannten Stelle (spezielle privatrechtliche Sachverständigenorganisation) vorgesehen. Hersteller haben die Übereinstimmung mit den rechtlichen Vorgaben im Rahmen eines sogenannten Konformitätsbewertungsverfahrens nachzuweisen. Zur Durchführung eines Konformitätsbewertungsverfahrens ist eine klinische Bewertung bzw. Leistungsbewertung erforderlich. Um zu adäquaten Daten für die klinische Bewertung / Leistungsbewertung zu gelangen, ist ggf. eine klinische Prüfung von Medizinprodukten bzw. eine Leistungsbewertungsprüfung für die In vitro-Diagnostika durchzuführen. Am Ende des Prozesses steht die Konformitätserklärung durch den Hersteller sowie die CE-Kennzeichnung die den freien Warenverkehr in der gesamten europäischen Union ermöglicht. Die Einhaltung der Anforderungen wird stichpunktartig durch die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten überwacht. In Deutschland ist dies Aufgabe der Länderbehörden; in Hessen sind die Regierungspräsidien zuständig. Die Fachaufsicht liegt beim Hessischen Ministerium für Soziales und Integration.
Der Verantwortliche für das erstmalige Inverkehrbringen eines Medizinproduktes nach dem europäischen Medizinprodukterecht ist der Hersteller, wenn dieser seinen Sitz in Europa hat. Wird ein Produkt in den europäischen Wirtschaftsraum eingeführt, ist ein Bevollmächtigter innerhalb Europas zu benennen. Hersteller oder Bevollmächtigte haben ihre Adresse und die Produkte in der europäischen Datenbank für Medizinprodukte (EUDAMED) anzuzeigen.
Das Gesetz zur Durchführung unionsrechtlicher Vorschriften betreffend Medizinprodukte (MPDG) löst in Deutschland das Medizinproduktegesetz (MPG) ab. Im Gegensatz zum MPG ist das MPDG kein eigenständiges Werk, sondern ergänzt die EU-Medizinprodukteverordnungen (MDR, IVDR), die bereits gesetzlichen Charakter haben, um nationale Vorgaben wie nationale Zuständigkeitsregelungen, Buß- und Strafvorschriften und weitere nationale Vorgaben, die nicht im Widerspruch zu den europäischen Regelungen stehen dürfen.
Ganz wesentlich für die Sicherheit von Medizinprodukten im Sinne des Patientenschutzes ist der stringente Umgang mit Ereignissen wie Funktionsstörungen, Ausfall oder Änderung von Merkmalen oder Leistungen eines Produkts sowie weiteren Mängeln, die ggf. zu einer Schädigung des Patienten führen können oder bereits geführt haben. Die Verpflichtungen von Betreibern zum Umgang mit solchen Vorkommnissen sind in der Verordnung über die Meldung von mutmaßlichen schwerwiegenden Vorkommnissen bei Medizinprodukten sowie zum Informationsaustausch der zuständigen Behörden (MPAIV) niedergelegt.
Die Verordnung über das Errichten, Betreiben und Anwenden von Medizinprodukten (MPBetreibV) regelt schließlich die Anforderung an den sicheren Betrieb und die Anwendung von Medizinprodukten und legt die Verpflichtung der verantwortlichen Personen dar.
Informationen und Beratung
Bei Fragen, die einen konkreten Betrieb betreffen, wenden Sie sich bitte an das Regierungspräsidium der jeweiligen Region:
- Verordnung (EU) 2017/745 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2017 über Medizinprodukte
- Verordnung (EU) 2017/746 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2017 über In-vitro-Diagnostika
- Gesetz zur Durchführung unionsrechtlicher Vorschriften betreffend Medizinprodukte (MPDG)
- Verordnung über das Errichten, Betreiben und Anwenden von Medizinprodukten (MPBetreibV)
- Verordnung über die Meldung von mutmaßlichen schwerwiegenden Vorkommnissen bei Medizinprodukten sowie zum Informationsaustausch der zuständigen Behörden (MPAIV)
Oliver Peichl
Hessisches Ministerium für Arbeit, Integration, Jugend und Soziales